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Zurück in die Zukunft

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Konnex - „Zeitschrift für Regional- und Heimatforschung Sachsen-Anhalt“ (Nr. 1, 2024)

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Bildung & Vermittlung Geschichte Heimatforschung & Ortschronik Jung & Alt

Der Geschichtsverein für Halberstadt und das nördliche Harzvorland e. V. – Förderverein des Städtischen Museums 

Die politische Wende 1989 stellte die Kultureinrichtungen vor neue Herausforderungen. Das zuvor staatlich strukturierte und geförderte öffentliche Kulturleben musste sich neu finden und neugestaltet werden. In diesem Zuge wurde am 3. April 1990 der „Harzverein für Geschichte und Altertumskunde für das nördliche Harzvorland e. V. Halberstadt“ gegründet. Bereits 1992 änderte der Verein seinen Namen in den noch heute gültigen und nannte sich „Geschichtsverein für Halberstadt und das nördliche Harz e. V. – Förderverein des Städtischen Museums“. Maßgeblichen Anteil an der Gründung hatte der damalige Museumsdirektor Dr. Adolf Siebrecht. Der Verein fördert Forschungen zur Geschichte in der Region Harzvorland und unterstützt besonders das Städtische Museum mit finanziellen Zuwendungen und bei Projekten. 

Seit seiner Gründung widmet sich der Geschichtsverein einem vielfältigen Aufgabengebiet: Zum einen werden gemeinsam mit dem Städtischen Museum regelmäßige Abendveranstaltungen mit Themen zur Geschichte der Region veranstaltet, zum anderen wurden bis zur Coronapandemie nahezu jährlich Exkursionen und Tagesfahrten zu herausragenden Ausstellungen und Museen in nah und fern für die Mitglieder und interessierte Halberstädterinnen und Halberstädter organisiert. Der 2022 entstandene „Geschichtsvereinsstammtisch“ wird von seinen Besucherinnen und Besuchern gestaltet. Die Teilnehmenden diskutieren ihre Erinnerungen zu einem angebotenen Thema und veranschaulichen ihre persönlichen Geschichten mit eigenen Objekten, Fotos, Postkarten und Dokumenten – ein niederschwelliges Angebot, um sich mit der Stadt- und der damit oft verbundenen Familiengeschichte zu beschäftigen. Von anfangs 29 Mitgliedern ist der Verein heute auf über 150 Mitglieder angewachsen. 

Auch nach 30 Jahren aktiver Zusammenarbeit gilt noch immer „Ein Museum braucht Freunde“, die sich als Stimme und Unterstützer verstehen. Neben den Veranstaltungsreihen engagiert sich der Verein durch den Ankauf regionalgeschichtlich wichtiger Objekte und erweitert kontinuierlich die Museumsbibliothek mit aktuellen Neuerscheinungen. Weiterhin ist der Geschichtsverein bereits seit 1995 Herausgeber der viermal im Jahr erscheinenden Zeitschrift „Zwischen Harz und Bruch“. Im März 2023 erschien das 110. Heft. Zahlreiche Autorinnen und Autoren bieten hier ein breites Themenspektrum zur älteren und neueren Geschichte der Region. 

Zeitschrift „Zwischen Harz und Bruch“, September 2022.

Ein wichtiges Anliegen des Vereins ist es, dass die Ortschronistinnen und Ortschronisten so ihre Forschungsergebnisse einem breiteren Publikum vorstellen können. Vor dem Coronaausbruch veranstaltete der Geschichtsverein jährliche Ortschronistentreffen in den verschiedenen Heimatstuben des Altkreises Halberstadt, um einen regen Gedankenaustausch zu unterstützen. Ab 2023 sollen diese Treffen wieder organisiert werden. 

In den vergangenen Jahren konnte der Verein durch Sponsoring und Fördergelder nicht unerhebliche Mittel für die Restaurierung bedeutender Kunstwerke des Museums akquirieren. Durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit in der örtlichen Presse wird darauf aufmerksam gemacht, dass der Erhalt, der Schutz und die Nutzung von Kulturgut notwendig sind, wodurch zusätzliche Spenden eingeworben werden. Ein Beispiel hierfür ist die finanzierte Restaurierung eines großformatigen Gemäldes des bekannten Malers Theodor Rocholl. Es zeigt die berühmte Attacke der „Halberstädter Kürassiere in der Schlacht bei Mars la Tour“ und ist jetzt mit einem neuen repräsentativen Rahmen fester Bestandteil der Dauerausstellung zur Militärgeschichte der Stadt. 

Theodor Rocholl: Schlacht bei Mars la Tour, um 1880, Öl auf Leinwand, 95 × 185 cm.

Um junge Menschen stärker für Geschichte zu interessieren, wurden in den letzten Jahren Verbindungen zu einigen Halberstädter Schulen aufgebaut. So erhielten die Schülerinnen und Schüler des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums die Möglichkeit, im Museum ihre im Geschichtsunterricht entstandenen Objekte unter dem Titel „Geschichte im Schuhkarton“ den Besucherinnen und Besuchern zu präsentieren und zu erklären. Das Projekt bereitete den Schülerinnen und Schülern viel Freude und war mit einer Sonderführung durch das Museum verbunden. 

Stolz zeigen Schülerinnen und Schüler der 5. Klasse des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums ihre „Geschichte im Schuhkarton“.

Der Bombenangriff auf Halberstadt am 8. April 1945 stellte für die Stadtgeschichte eine schwere Zäsur dar. Mit über 80 Prozent Zerstörung des historischen Stadtzentrums hat Halberstadt viel an historischer Bausubstanz verloren. Aber in den vergangenen Jahrzehnten ist auch vieles neu entstanden. Dem Neuen wollte der Geschichtsverein gemeinsam mit dem Städtischen Museum mit einer gesonderten Aktion Rechnung tragen, und so entstand 2020 das Projekt „Zeitkapsel“. Die Halberstädterinnen und Halberstädter, besonders die Schülerinnen und Schüler, waren aufgerufen, ihre Gedanken, Grüße und Wünsche in die Zukunft zu schicken. Sie kamen auf diese Weise mit der Halberstädter Geschichte in Berührung und machten sich Gedanken über die Gegenwart und ihre Zukunft. Wohl gefüllt wird die Zeitkapsel nun für 25 Jahre im Museum bis zu ihrer Öffnung im Jahr 2045 verwahrt. 

Schülerinnen und Schüler der Europaschule „Am Gröpertor“ in Halberstadt füllen die Zeitkapsel.

Am Gymnasium Martineum in Halberstadt stieß 2022 ein Mitglied des Geschichtsvereins bei seinen Forschungen auf historische Schulunterlagen. Dieser Fund wurde zur Initialzündung für die Gründung einer Geschichts-AG an der Schule, die durch Mitglieder des Geschichtsvereins betreut wird. Auf diese Weise werden die Erfahrungen älterer Generationen an geschichtsinteressierte Schülerinnen und Schüler vermittelt. Gemeinsam sollen die Schulakten für die Schulchronik erschlossen werden und in eine Publikation zum Schuljubiläum 2025 einfließen. Es ist geplant, alle erarbeiteten Daten in einer Datenbank zu erfassen und sukzessive die vorhandenen Unterlagen zu digitalisieren. Hierbei wird eine Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Informatik am Martineum angestrebt.

Präsentation der historischen Schulunterlagen im Gymnasium Martineum in Halberstadt.

Dr. rer. nat. Volker Bürger

ist in Halberstadt geboren, studierte Chemie und Laboratoriumsmedizin. Seit 1991 ist er Mitglied im Geschichtsverein Halberstadt und seit 1996 Erster Vorsitzender des Geschichtsvereins sowie Mitherausgeber der Zeitschrift „Zwischen Harz und Bruch“. ⇆ vocobue@t-online.de