Zum Hauptinhalt springen

Artikel

Vernetzt, geteilt und zugänglich

Ausgabe

Konnex - „Zeitschrift für Regional- und Heimatforschung Sachsen-Anhalt“ (Nr. 1, 2024)

Ausgabe kaufen

Themen

Bildung & Vermittlung Geschichte Kunst & Musik

Digitale Initiativen im Museumsverband Sachsen-Anhalt e. V.

Digitalisierung ist auch in der Museumswelt seit längerem ein Schlagwort, dem Aktualität und Dringlichkeit zugesprochen wird. Was jedoch genau darunter zu verstehen ist, lässt sich raumgreifend diskutieren. Von der digitalen Objekterfassung, der Inventarisierung in Datenbanken, die mit vernetzten Normdaten arbeiten, über Serious Games in der Vermittlung, wo Computerspiele einen interaktiven Zugang zu bestimmten historischen Konstellationen und Entwicklungen ermöglichen, bis zu Social-Media- Aktionen im Marketing findet sich ein weites Feld, das komplett zu bestellen kaum einem Museum wirklich umfassend erfolgreich gelingt. Umso wichtiger ist dem Museumsverband Sachsen-Anhalt das Projekt eCulture, das besonders kleine und mittlere Museen berät, wie sie strategisch an Digitalisierung und digitale Transformation herangehen können. In die tägliche Arbeit des Museumsverbands gehen digitale und analoge Aspekte gleichermaßen ein und ergeben zusammen ein Gesamtbild, das hier kurz umrissen sein soll, bevor die digitalen Initiativen genauer vorgestellt werden.

Ein kleiner Teil der technischen Ausrüstung des Projekts eCulture des Museumsverbands.

Der Museumsverband versteht sich als Interessenvertretung der Museen des Landes. Das heißt nicht nur, dass er für die Belange der Museen etwa bei Politik und Verwaltung eintritt und die Museen bei der Umsetzung von Vorgaben und Projekten berät. Vielmehr motiviert der Verband seine Mitglieder, für die und mit den Menschen des Landes aktiv zu sein und sich den aktuellen Entwicklungen zu öffnen. Das zeigen zum Beispiel die Themen der Fortbildungsveranstaltungen des Verbandes und die Projekte mit anderen Landesverbänden, die immer auch auf Bedarfe der Besucher:innen und Erwartungen der Menschen eingehen. Ob es um sichtbare Ansprache durch Museumstexte oder Einbindung digitaler Angebote geht oder den Austausch mit Tourismusverbänden und lokalen Netzwerken: Offenheit und Zugänglichkeit der Museen sind zentrale Ziele der Verbandsarbeit.

Die Themen der Arbeitsgruppen im Verband ergeben sich aus den Bedarfen und Wünschen der Mitarbeitenden in den Museen, die sich zu bestimmten Fragen und Herausforderungen vernetzen. So ist die Arbeitsgruppe Bildung und Vermittlung ein lebendiges Netzwerk der Museumspädagog:innen des Landes, die sich mit Kolleg:innen anderer Bereiche, freien Mitarbeitenden und beratend Tätigen regelmäßig austauschen. Der Museumsverband begleitet die Arbeitsgruppen personell und stellt den virtuellen Raum für die Treffen zur Verfügung.

Die konkrete Museumsarbeit wird durch den Verband in größeren Projekten gefördert und auch angeleitet. Die Koordinierungsstelle für Provenienzforschung motiviert Museen, die Geschichte ihrer Sammlungen und Objekte besser zu verstehen und die Umstände zu reflektieren, unter denen Objekte ins Haus gekommen sind. Aufmerksamer Umgang mit der eigenen Geschichte und der Sammlungsarbeit gerade in historisch sensiblen Zeitspannen verlangt unbedingt Engagement von Museumsmitarbeitenden und gute Vermittlung sowohl ins Haus selbst als auch in die Öffentlichkeit. Dabei unterstützt die Koordinierungsstelle die Museen und ihre Mitarbeitenden aktiv. An der digitalen Vorstellung der Arbeit ist aber auch das Projekt eCulture des Museumsverbands beteiligt, das die technisch-digitale Seite zum Beispiel der virtuellen Karte Provenienzforschung übernommen hat, die sich unter diesem Link aufrufen lässt und die kontinuierlich mit neuen Objekten und ihren Geschichten bestückt wird.

In Projekten – wie aktuell zum Beispiel Sammeln/Entsammeln – werden grundlegende Herausforderungen der Museumsarbeit ausgelotet und mit ausgewählten Museen intensiv durchgearbeitet. Die beteiligten Museen lernen dabei sich selbst durchaus besser kennen, indem sie ihre Sammlung nicht nur konturieren und beschreiben, sondern auch die Notwendigkeiten professionellen Bewahrens thematisieren und von Marc Holly, Beratungsstelle Bestandserhaltung des Landes, aktiv unterstützt und angeleitet werden, diese umzusetzen. Was schon gut funktioniert, wird dabei ebenso sichtbar wie Veränderungen, die angestoßen werden. Am Ende übernimmt der Museumsverband die Kommunikation der Projektergebnisse und macht sie den Mitgliedsmuseen für die Nachnutzung und ihr eigenes Change-Management zugänglich.

Spätestens an dieser Stelle kommt Digitalisierung wieder in den Blick, weil digitale Kommunikationswege für die Verbreitung und Akzeptanz von Projekten und weiteren Angeboten ausschlaggebend sind. Als das Projekt eCulture im Frühjahr 2021 aufgesetzt und die Projektleitung mit Dr. Elisabeth Böhm besetzt wurde, war eine der ersten relevanten Aktionen die Einrichtung einiger vernetzender Social-Media-Kanäle (Instagram und YouTube), um die Sichtbarkeit der Museen und des Verbands zu stärken. Im Mai 2021 hatte Sachsen-Anhalt die bundesdeutsche Schirmherrschaft des Internationalen Museumstags inne. Auf dem YouTube-Kanal des Museumsverbandes wurde die Eröffnungsveranstaltung aus dem Berend-Lehmann-Museum in Halberstadt gestreamt, die damals wegen der geltenden Corona-Auflagen nur von wenigen Gästen besucht werden konnte. Die Aufmerksamkeit der Interessierten und auch weiterer Medien konnte über die digitale Verbreitung gut gelenkt werden. Darüber hinaus waren die Museen aufgerufen, Imagefilme einzureichen, in denen sie sich und ihre Arbeit pointiert vorstellen, um über den YouTube-Kanal ein sympathisches und facettenreiches Bild der Museumslandschaft in Sachsen-Anhalt an ein breites Publikum zu vermitteln. Die eingereichten Filme sind noch immer online zu sehen und finden seit dem Frühjahr 2021 ihr Publikum. Der Account des Verbandes versteht sich dabei sowohl als Portal, in dem viele einzelne Kanäle der Museen verlinkt sind und dort neben- und miteinander sichtbar werden, als auch ein Portal, in das kleinere Museen ihre wenigen Clips gut eingebunden in eine lebendige und aktiv genutzte Umgebung einstellen können. Das Projekt eCulture hat nicht nur den Kanal aufgesetzt und bespielt ihn, sondern unterstützt einzelne Häuser auch bei der Content-Erstellung. Im Sommer 2022 entstanden im Rahmen des Praktikums von Leo Schlaikier beim Projekt eCulture mehrere Filme für und mit Museen. Während der Studierende vor allem lernte, die Erwartungen und Bedarfe der Museen als potenzielle Auftraggebende zu verstehen, entstanden an mehreren Orten charmante und einladende Filme. Ein Highlight darunter ist sicherlich die Projektvorstellung des Natureums, des offenen Biosphären-Modells im Museum für Naturkunde Magdeburg, wo Museumsdirektor Dr. Hans Pellmann aus der Dauerausstellung heraus den museumspädagogischen Mehrwert der neu eingerichteten Terrarien im Innenhof des Museums entwickelt.

Leo Schlaikier mit Dr. Hans Pellmann, Leiter des Museums für Naturkunde Magdeburg, beim Video-Gespräch vor der Vogelvitrine im Ausstellungskapitel zur biologischen Artenvielfalt.

Auch schon im Frühjahr 2021 wurde der Podcast #Museumslauschen initiiert, der in seiner ersten, sehr erfolgreichen Staffel 15 Folgen aus den Landkreisen Sachsen-Anhalts umfasste und das Publikum auf eine Hörreise durch die Themen und Perspektiven der Museen Sachsen-Anhalts mitnahm. Motiviert von der breiten Resonanz, die das neue Format gefunden hat, entwickelte das Team des Museumsverbands die Fortsetzung Museumslauschen 2.0. Die erste neue und komplett selbst produzierte Staffel kreist ums Hören und stellt ganz unterschiedliche akustische Phänomene und Eindrücke vor, die in sechs Museen erlebt werden können. Dabei reicht die Bandbreite von historischen Wachswalzen-Aufnahmen über knarzende Türen und klingende Glocken bis zum Surren eines Sternbild-Projektors. In loser Folge werden in den kommenden Jahren weitere Staffeln folgen, die jeweils ein Thema aus verschiedenen Blickwinkeln mit unterschiedlichen Museen präsentieren. Auswahl und Platzierung der Themen werden aktuelle Anlässe und Entwicklungen einbeziehen und darauf abzielen, den Podcast sein akustisches Potenzial ausspielen zu lassen. Die aktuell produzierte zweite Staffel begleitet etwa fünf spannende Personen jeweils beim Besuch eines von ihnen ausgewählten Museums. Was der E-Sport-Kommentator im Kloster und die Moderatorin im Kunstmuseum, der Fridays-for-Future-Aktivist im Technikmuseum, die Bildhauerin im Barockanwesen und die Biologin in der Wunderkammer entdecken, präsentierte die Staffel Museumsspaziergänge zum Jahreswechsel 2022/23.

Logo des Podcasts Museumslauschen 2.0.

Darüber hinaus engagiert sich das Projekt eCulture auch für die digitale Erfassung von Objekten und Objektdaten. Dazu zählt zunächst und vor allen Dingen museum-digital. Die digitale Plattform zur Präsentation von Museumsobjekten und musealen Sammlungen ist auf Initiative von Museen in Sachsen-Anhalt ab ca. 2009 entstanden und ein Erfolgsmodell geworden: Nicht nur hat die europäische Kulturerbe-Plattform Europeana Datenaustauschmodelle von museum-digital übernommen, es arbeiten
inzwischen viele Museumsverbände auf Länderebene mit museum-digital und neben den länderspezifischen Instanzen und dem deutschlandweiten Portal www.museum-digital.de gibt es auch ein ungarisches und sogar indonesisches Portal. Kurz gesagt ist aus einer Initiative von Museen für Museen ein ausdifferenziertes und hochprofessionelles Angebot an Museen geworden, ihre Bestände online und browserbasiert zu verwalten und sie digital zu präsentieren. Neben den eigenen Portalen bietet museum-digital auch Schnittstellen zu Homepages von Museen und zu digitalen Anwendungen an. Im Museumsverband Sachsen-Anhalt ist die Unterstützung der Museen des Landes angesiedelt, die sowohl in die Nutzung der Datenbank und die Publikation auf dem Portal einführt, als auch spezifische Anwendungen vertiefend begleitet. Diese Aufgaben einer Regio-Admin nimmt Elisabeth Böhm wahr, die außerdem die Entwicklung der Programmierenden aufmerksam begleitet und sie mit den Anliegen anderer Initiativen vertraut macht, etwa mit der Datenweitergabe an die Deutsche Digitale Bibliothek oder der Arbeit der NFDI-Konsortien (NFDI4Culture, NFDI4Memory, NFDI4Objects). 

Der mobile Buchscanner im Heinrich-Schütz-Haus, Weißenfels. Dr. Elisabeth Böhm, Martin Müller, Dr. Maik Richter (v.l.n.r.).

Als Datenbank kann museum-digital nicht nur die Datensätze zu analogen Objekten aufnehmen, sondern auch Digitalisate verwalten. Insofern fließen die Ergebnisse eines Kooperationsprojektes von Museumsverband und Landesheimatbund (LHB) auch dort ein. 3 Ein mobiler Buchscanner reist seit Sommer 2022 durch Museen und Archive des Landes, wo besondere Bestände digital erfasst werden, während Ortschronist:innen ihre Arbeiten scannen und – sofern die zu beachtenden Persönlichkeits- und Nutzungsrechte das erlauben – in eine digitale Forschungsumgebung hochladen können. Damit fördern die beiden Verbände nicht nur die virtuelle Zugänglichkeit von historischen Dokumenten, sondern auch die Verbindungen zwischen ehrenamtlich tätigen Geschichtsforschenden und den Einrichtungen vor Ort. Indem ein Gerät vor Ort genutzt werden kann, um Schriftgut und Papierobjekte zu erfassen, lernen sich die Menschen und Häuser besser kennen und initiieren vielleicht sogar weitere Projekte rund um die lokalen Besonderheiten, Ereignisse, Persönlichkeiten sowie deren Erforschung und Ausstellung. 

Die Zusammenarbeit des Museumsverbands mit dem Landesheimatbund bei diesem Projekt ist nicht zufällig, sondern Teil einer so naheliegenden wie lebendigen Partnerschaft. Greifbare Beispiele dafür waren zum Beispiel der Infostand des Projekts eCulture beim 2. Tag der Heimatforschung in Halle und die Mitwirkung des Museumsverbands bei den vom LHB organisierten Tagungen im Bereich Industriekultur. Strukturwandel und die Veränderungsprozesse durch Technisierung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit werden beide Verbände weiterhin gemeinsam thematisieren. Ob das in digitalen oder analogen Formaten mündet, wird sich situativ zeigen, in Zukunft aber wohl vor allem zu hybriden und phygitalen Ergebnissen führen, die wir inzwischen in unserem Alltag ganz selbstverständlich nutzen. Diese Nutzung digitaler Techniken und Medien im täglichen Leben, etwa wenn wir Filme streamen, eine Route über virtuelle Karten planen und über Messenger kommunizieren, mag noch sperrige Namen tragen, fällt aber jenseits von organisationellen Transformationsprozessen, wie eben der Digitalisierung der Museumsarbeit, überhaupt nicht mehr auf. Darin steckt das Ziel der digitalen Initiativen des Museumsverbands: nah an der Lebenswelt der Menschen zu bleiben und die Schwellen zu Museum, musealen Themen und Angeboten so klein wie möglich zu halten, um mit den Menschen gemeinsam über historische Ereignisse und Zusammenhänge aktuell nachdenken zu können. 

Dr. Elisabeth Böhm

leitet das Projekt eCulture im Museumsverband Sachsen-Anhalt. Sie ist in verschiedenen Arbeitskreisen engagiert und vermittelt als Vortragende und Workshopleiterin den Themenschwerpunkt Digitalisierung. ⇆ boehm@mv-sachsen-anhalt.de