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Karten aus der ganzen Welt
... und was sie über die Geschichte von Dammendorf mitteilen
Der Situationsplan
Auf dem Situationsplan von 1823 (Abbildung 1) ist der Ort Dammendorf mit seinen Häusern, dem Gutspark, zwei Dorfteichen, Bach und Wiesen sowie den Ackerflächen verzeichnet. In der Karte sind drei Mühlen eingezeichnet, jedoch lassen sich in späteren Karten und anderen Quellen nur noch zwei Mühlen belegen. Die Wege zwischen Dammendorf und Kneipe sowie zu weiteren Ortschaften außerhalb der Karte sind ebenso erkennbar wie die Feldwege. Der Acker ist in schmale, langgezogene Flächen, lokal auch „Handtücher“ genannt, aufgeteilt und nummeriert. Die Flächen im nördlichen, oberen Bereich der Karte gehören zum Gutsbezirk. Der Auftraggeber der Karte ist nicht bekannt.

Abbildung 1: Situationsplan der Feldfluren Dammendorf und Gödewitz nebst deren Coppelfeldern von 1823.
Alte Karten faszinieren
So sind etwa Separationskarten aus dem 19. Jahrhundert mit detailgenauen Ortsansichten illustriert. Die kolorierten Federzeichnungen der Karten beeindrucken durch die Feinheiten ihrer technischen Darstellung und den vielfältigen Informationen über den jeweiligen Ort. Zugleich zeigen die unterschiedlichen Karten Spuren von Ansiedelungen und geben Hinweise auf ihre Bewohnerinnen und Bewohner aus vergangenen Jahrhunderten bis in die heutige Zeit. Im folgenden Beitrag gibt Annett Rose Einblick in ihre Recherchen zu ihrem Heimatort Dammendorf im Saalekreis: Sie stellt verschiedene Kartenformen und deren Geschichte vor, vergleicht diese miteinander und ergänzt sie bespielhaft mit anderen Quellen aus der Ortsgeschichte. Dabei führt sie ihre Recherche bis in die Online-Archive der Universität Berkeley in Kalifornien. Die Verbindung unterschiedlichen Kartenmaterials und weiterer Quellen zeigt, dass sich so gesicherte Daten zur Ortsgeschichte belegen und erfassen lassen.
Die Separationskarten
Unter Separationskarten versteht man Kartierungen eines neuen Bestandes nach der Separation (Flurbereinigung). Die Informationen konnten aus alten Karten übernommen werden oder man musste, wo keine Karten vorhanden waren, Neumessungen durchführen. Die Separation erfolgte in der Zeit von 1815 bis 1880 im ehemaligen Preußen mit der Neuaufteilung des bis dahin gemeinschaftlich genutzten Bodens. Zukünftig sollte er individuell bewirtschaftet werden. Diese agrarpolitische Reform diente einerseits dazu, gutsherrliche und bäuerliche Verhältnisse zu regulieren sowie Reallasten abzulösen, was bedeutete, dass die Bauern die Flächen vom Gutsherrn kauften. Andererseits wurden Flächen so zusammengelegt, dass die Grundstücke für eine wirtschaftlichere Nutzung eng beieinanderlagen und nicht über die gesamte Gemarkung verteilt waren. Gemeinheitsteilungen wurden hingegen bei gemeinschaftlich genutzten Flächen vorgenommen.
Da die verschiedenen Kartendarstellungen seit der ersten Erstellung ab 1815 immer wieder bis in die Gegenwart aktualisiert wurden, kann man anhand der Karten die Entwicklung einer Ortschaft und ihres Umlandes anhand der Wegeverläufe, Gebäude und Grundstücke nachverfolgen.
Aus dem Jahr 1830 stammt die Karte der Feldmark Dammendorf „Gödewitz“ (Abbildung 2). Zwar fehlt im Titel die genaue Bezeichnung, doch da sie im Auftrag des Regierungsbezirks Merseburg entstand, ist davon auszugehen, dass es eine Separationskarte ist, insbesondere, da auch ein Rezess dazugehört. Im Rezess sind alle an der Separation beteiligten Grundstückseigentümer einer Gemeinde nachgewiesen. Der Rezess enthält die Rechtsverbindlichkeiten des Separationsverfahrens, das heißt die Nachweise der Anteile vor und nach der Separation. Er ist im engsten Sinne ein Protokoll über die Separationsbeteiligten, das darüber informierte, wer die Wege, Triften, Gewässer und Gräben unterhielt und nutzte und wo besondere Verpflichtungen bestanden, beispielsweise Dienstbarkeiten wie das Wegerecht. Separationskarten sind die zeichnerische Darstellung der Neuaufteilung des Bodens. Sie sind versehen mit Separationsmaßen in der Längeneinheit der ortsüblichen Ruten, deren genaues Maß zeitlich und lokal stark abweichend ist, Bussolenneigungen (den Abweichungen gegen die magnetische Nordrichtung), den Namen der Eigentümer und vereinzelt auch von Eigentümerinnen sowie Planzeichnungen, Gewannenbezeichnungen1 und Steuerkataster.

Abbildung 2: Karte der Feldmark Dammendorf „Gödewitz“ im Saal Kreise des Regierungsbezirks Merseburg, 1830.
Die maßstäbliche Darstellung der Karte entstand mittels Kopien vorhandener Karten, deren Maßstab beibehalten wurde. Neumessungen waren auf dringende Fälle zu begrenzen. Auf eine Erfassung der Ortslage der bebauten Grundstücke mit ihren unmittelbar umliegenden Flächen wurde in der Regel verzichtet. Sie wurden aus der Grundsteuer herausgenommen, und es wurde auf sie, entsprechend dem Mietwert, eine besondere Gebäudesteuer erhoben. Auf die Flächengröße der bebauten Grundstücke konnte verzichtet werden. Gebäude wurden unter der Bezeichnung „uH“ (ungetrennte Hofräume) in den Katasterkarten und -büchern nachgewiesen.
Die Originalkarte des Separationsverfahrens wird als „Brouillonkarte“ (franz. broullion – Konzept, erster Entwurf, Rohfassung) bezeichnet. Sie entstand auf der Grundlage der Privat-, Forst-, und Domänenkarten sowie der Separationsmessung, den „Manualen“ (Abbildung 5). Davon ausgehend entstanden Reinkarten. Die erste Reinkarte ist die Nadelstichkopie der Brouillonkarte und enthält in hauchdünner Zeichnung noch den Altzustand. Sie ist auf Leinen aufgeklebt. Die zweite und dritte Reinkarte sind Aktualisierungen. Sie sind Nadelstichkopien der ersten Reinkarte. Die Abgabe der verschiedenen Reinkarten erfolgte an die Landratsämter, Katasterämter, Grundbuchämter und die Separationsinteressenten.


Abbildungen 5: Rissausschnitte aus der Gemarkungsakte ohne Maßstab.

Abbildung 4: Gemarkungskarte der Flur 2 von Dammendorf im Maßstab 1:2000, 1865–1952.
Gemarkungskarten
Die Urkarte und Reinkarte, auch Gemarkungskarte genannt, der Flur 2 von Dammendorf im Maßstab 1:2000 aus dem Jahr 1865 liegt in der Dokumentenablage des Landesamtes für Vermessung und Geoinformation (Abbildung 4). Sie ist die maßstäbliche Darstellung der Flur. Eine Gemarkung besteht aus mehreren Fluren. Die Gemarkungsreinkarte ist die Nadelstichkopie der Gemarkungsurkarte, der Nadelstichkopie der ersten Separationskarte auf Karton und wird auch Katasterkarte genannt. Sie diente dem täglichen Amtsgebrauch. Mit roter Tusche wurden in diese Karte sämtliche Messungen seit der Separation eingetragen. Dadurch sind auf dieser Karte die Veränderungen der Flurstücke von 1865 bis 1952 zu sehen.
Die Ortslage ist jedoch in den Separations- und Gemarkungskarten zunächst nicht erfasst. Ihre Flächen werden als ungetrennte Hofräume „uH“ bezeichnet. Nur ihre Außengrenzen sind vermessen und im Kataster eingetragen. Der im Liegenschaftskataster als eine Einheit ausgewiesene „uH“ besteht aber aus mehreren rechtlich verschiedenen Grundstücken. Die konkrete Lage in der Natur und die Größe der einzelnen Grundstücke sind somit nicht aus dem Grundbuch ersichtlich.
Weitere Informationen enthält die Gemarkungsakte (Abbildung 5). Über den Rezess hinaus enthält sie die Manuale, also die Risse, die Flächenberechnung, die Bonitierung (Bodengütefeststellung nach den Klassen 1–8 Reinertragszahlen) sowie nachträgliche Ergänzungsmessungen (Maß- und Flurveränderungen) und auch die Unterverteilung von Grundstücken.
Messtischblatt und Topografische Karte
Messtischblätter (Abbildung 6) entstanden ab ca. 1875. Sie sind eine sehr hilfreiche Quelle für die topografische Geschichte der Orte, denn sie geben detailreiche Einblicke auf Lage und Ausgestaltung von Städten, Ortschaften, Dörfern und einzelnen Gebäuden seit dem späten 19. Jahrhundert. Sie zeichnen sich durch eine präzise Kartografie aus, führen aber leider keine Straßennamen, wobei jedoch Straßen und Plätze sehr deutlich erkennbar sind. Diese Eigenschaften machen diesen Kartentypus zum genauesten Kartenmaterial aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Ursprünglich als Messtischblätter bezeichnet, inzwischen als topografische Karten, bilden die Messtischblätter das umfangreichste topografische Kartenwerk für Deutschland und seine ehemaligen Gebiete im heutigen Polen, Frankreich, Belgien und Dänemark (ohne das heutige tschechische Sudetenland). Der Maßstab ist 1:25.000, das heißt 4 Zentimeter entsprechen in der Karte einem Kilometer. Das Format der Karten beträgt 60 × 60 Zentimeter.2

Abbildung 6: Karte von 1904–1936 (zwei Mühlen zu sehen). Auszug aus dem Messtischblatt.
Digital geführte topografische Karte (Abbildung 7)
Topografische Karten sind landschaftsbeschreibende Karten, die die Erdoberfläche in ihren verschiedenen Erscheinungsformen beschreiben. Sie geben Siedlungen, Verkehrswege, Grenzen, Gewässer, Geländeformen und Vegetation in Abhängigkeit des Kartenmaßstabes anschaulich, möglichst vollständig und übersichtlich wieder. Signaturen und Beschriftungen erläutern die topografischen Objekte. Die topografische Karte im Maßstab 1:25 000 (DTK 25) wird mit dem Verfahren „Digital geführte Topografische Karte (ATKIS-DTK)“ auf Grundlage des Digitalen Basis- Landschaftsmodells (Basis-DLM) hergestellt.3

Abbildung 7: Karte von 2004–2009 (nur noch eine Mühle verzeichnet).
Flurkarten
Im Zuge der Einführung des Einheitskatasters zwischen 1942 und ca. 1956 wurden einige Gemeinden zusammengelegt und die Katastersysteme vereinheitlicht. Sowohl für die grafischen Darstellungsweisen der Karten als auch für die Begriffe der inhaltlichen Beschreibungen und schließlich für die Bezeichnungen der zugehörigen Dokumente wurde eine einzige, verbindliche Form entwickelt. Zu dieser Zeit wurde auch Dammendorf zu Schwerz eingemeindet. Seither läuft Dammendorf im Kataster unter der Gemarkung Schwerz. Die Gemarkungskarte wurde durch die Flurkarte abgelöst.
Im Vergleich der drei Flurkarten sind in der ältesten, auf Pappe aufgezogenen Karte (Abbildung 3) noch Veränderungen eingezeichnet. Auf der Folie 8 (Abbildung 8) sind die Veränderungen über die Jahre nicht ersichtlich, da alte Markierungen ausradiert und neue Flurstücke eingezeichnet wurden. Die aktuelle Karte (Abbildung 9) ist digital angelegt, weshalb keine Spuren von Veränderungen, auch nicht die Spuren des Radierens mehr sichtbar sind, die Veränderungen sind jetzt nur noch über die Risse ersichtlich. In dieser Karte sind die Leerstellen der Ortslage ausgefüllt. Die ungetrennten Hofräume mussten durch die Hofraumverordnung von 1993 bis spätestens 2010 bereinigt werden. Daher wurden die Hofräume durch eine Neumessung erfasst, dem Bodensonderungsverfahren (BOV).4
Auf den Flurkarten sind die Veränderungen der Flurstücke zu sehen, auch die Lagebezeichnungen der Ackergrundstücke mit ihren Gewannnamen. Der Verlauf der Wege und Flüsse (Gräben) sowie die Lage der Teiche ist auch ersichtlich, obwohl viele in der Natur nicht mehr vorhanden sind. In der neuen digitalen Karte wird zusätzlich durch kolorierte Flächen die einzelne Nutzung der Flurstücke angezeigt.

Abbildung 3: Schwerz Flur 7 im Maßstab 1:2000 (Flurkarte Karton), ca. 1952–1994.

Abbildung 8: Schwerz Flur 7 im Maßstab 1:2000 (Flurkarte Folie) ca. 1994–2002.

Abbildung 9: Schwerz Flur 7 im Maßstab 1:2000. Auszug aus dem Geobasisinformationssystem (Flurkarte Digital).
Luftbilder damals und heute
In der Landesluftbildsammlung Sachsen-Anhalt werden analoge und digitale Luftbilder (Orthofotos) des Landes vorgehalten. Luftbilder bieten jeweils ein vollständiges, auf den Zeitpunkt der Aufnahme bezogenes Abbild von Teilen der Erdoberfläche. Bei den Originalluftbildern handelt es sich um zentralperspektivische Senkrechtaufnahmen, die durch die Perspektive etwas verzerrt sind. Durch Beseitigung der Verzerrungen entsteht ein digitales Orthofoto.5 Für Interessierte stehen die Luftbilder teilweise über die kostenfreien Geobasisdaten sowie weitere Karten frei zur Verfügung.6
Aus den Luftbildern der einzelnen Zeitepochen von 1953 bis heute kann man sich die Nutzung der Ackerflächen, alte Wege, Bewuchsanomalien und auch alte Gebäude anschauen sowie den fortschreitenden Neubau von Häusern und andere geografische Feinheiten. Auch die Ortslage ist hier gut ersichtlich.
Die Gutshausanlage mit Park ist bereits auf dem Situationsplan von 1823 zu erkennen. Sogar das Wegesystem ist nachvollziehbar. Auch auf den Luftbildern ist die Gutsanlage deutlich sichtbar, der Park verfügt über einen wertvollen Baumbestand. So ist die 300 Jahre alte Pyramideneiche auch aus der Luft zu sehen. Am angrenzenden Acker ist noch der Umriss der alten Scheunenanlage zu sehen. Auf dem neueren Luftbild ist hingegen nur noch die Zufahrt sichtbar. Die alten Wege, die früher die Dörfer verbanden, sind auch nachzuvollziehen – so der Feldweg nach Kneipe sowie die Wege für die Ackerbestellungen. Die einzelnen kleinen Ackerparzellen sind heute der großflächigen Ackerbestellung gewichen. Zudem sind eine Kleingartenanlage sowie die Neubauten an der Ernst-Thälmann-Straße entstanden. All diese Veränderungen sind auch über die Gemarkungskarten und die Flurkarten über die Jahre nachweisbar.


Abbildung 10 und 11: Auszug aus dem Luftbild 1953 und 2020.
Die Geschichte zweier Mühlen
Anhand der Kombination mehrerer Karten kann man die Geschichte zweier Mühlen aus Dammendorf nachvollziehen, die heute nicht mehr existieren. Auf dem Situationsplan von 1823 (Abbildung 12) lässt sich sogar eine dritte Mühle feststellen, für die es jedoch keine weiteren Nachweise gibt. Bereits auf der Separationskarte von 1830 ist in dem Bereich nur noch eine Mühle eingezeichnet, die Fläche wird mit dem Gewannennamen „Das Höllfeld an der Mühle“ benannt. Auf dem Messtischblatt von 1904 bis 1936 sind beide Mühlen noch eingezeichnet, während auf der aktuellen topografischen Karte DTK 25 (Abbildung 7) nur noch eine Mühle verzeichnet ist. Hieran kann man erkennen, wann es die Mühlen gab und zu welchen Zeiten sie verschwunden sein müssen. Weitere Hinweise zum Abriss ergeben sich aus dem Gebäudebuch (siehe S. 73). Demnach wurde die nördliche Mühle im Jahr 1929 und die südliche Mühle im Jahr 2013 abgerissen.

Abbildung 12: Drei Mühlen auf dem Situationsplan von 1823.

Abbildung 13: Die Südliche Mühle auf der Separationskarte von 1830, Detail.

Abbildung 14: Die nördliche Wildmühle wurde 1929 abgerissen.

Abbildung 15: Die südliche Mühle wurde 2013 abgerissen, da sie durch einen Sturm in Schieflage geraten war.

Abbildung 16: Eisenbahnkarten-Handriss Gemarkung Eismannsdorf, kartiert von km 71,3 bis km 72,1. Jetzt gehört der Abschnitt zur Gemarkung Niemberg.
Eisenbahnkarten
Abbildung 16 zeigt eine Streckenkarte der Eisenbahnstrecke von Halle nach Magdeburg, die an der Gemarkung Dammendorf vorbeiführt. Von der Eisenbahnstrecke führt ein Feldweg nach Dammendorf.
Im Landesamt für Vermessung und Geoinformation Sachsen-Anhalt (LVermGeo) gibt es Karten mit bestimmten Nutzungen, z. B. Eisenbahnkarten in verschiedenen Ausführungen von aktuellen und stillgelegten Strecken. Sie erlauben es durch die Flurstücksvermessungen, den Verlauf der Strecken auch in den Gemarkungskarten und Flurkarten nachzuvollziehen. Die Eisenbahnkarten wurden von der Deutschen Bahn AG in Leipzig an die Dokumentenablage des LVermGeo abgegeben. Für Eisenbahnfans eine wertvolle Quelle mit vielen Informationen zu den Streckenverläufen, Bahnhöfen und Gleisanlagen.
Die Wüstung Wernsdorf
Auf den alten Karten wird oft auf mittlerweile nicht mehr existente Orte (Wüstungen) hingewiesen. Auf der Separationskarte von 1830 ist die Wüstung Wernsdorf verzeichnet (Abbildung 17). Die Wüstung Wernsdorf beschreibt Siegfried Schulze-Galléra, der den Saalkreis zu Fuß abgelaufen ist und zwischen 1913 und 1924 eine fünfbändige Chronik zu diesen Orten verfasst hat.
Dort schreibt er, dass sich in nächster Nähe von Friedersdorf das etwa um 1150 von Kolonisten gegründete Wernsdorf befand. Der Name ist wohl als Wernersdorf zu deuten. Vielleicht ist es das Werigersdorf in der Beschreibung des Ortes Alvensleben. Erzbischöfliche Vasallen hatten Besitz im Ort, der mit Dammendorf wiederholt in engster Beziehung genannt wird: „so 1371 die von Trotha 3 Höfe in ‚Wernstrop‘, die von Nordhufen 1½ Hufen, die Stacius 1 Hof und 1 Hufe in ‚Wernestorp‘, die Gruwel 2 Hufen (1398), Claus von Dieskau 3 freie Hufen: und um 1400 haben die von Trotha 2 Höfe und 2 Hufen, die von Kröcher 1 Hof und ½ Hufe, die von Hacke auf Krosigk 2 Höfe, 1 Garten und 3 Hufen Lehngut. – Das Dorf wird wohl etwas kleiner als das nahe Friedersdorf gewesen sein, also etwa 7 Höfe um 1400 gezählt haben. Um 1500 ist das Dorf wüst, die Bauern sind ausgekauft, die Flur ist zum Rittergut Dammendorf geschlagen. 1537 wird Christoph Schieding auf Dammendorf durch Kardinal Albrecht mit dem Rittergut belehnt, ebenfalls mit dem wüsten Dorfe Wernsdorf mit 2 freien Hufen, 2 Wiesen, 7 wüsten Bauernhöfen mit 5 Hufen nebst Lehen und Zinsen.“7
Zum Ort Wernsdorf gibt es eine Anekdote, wiedergegeben von Bernhard Brühl (1877–1955),8 der Lehrer, Kantor, Heimatforscher und Museumsgründer in Gütz bei Landsberg war: „Das Christinchenbörnschen lag versteckt im Gras. Mit Steinen war ein kleiner Brunnen ausgebaut. Sein Umfang ließ das Schöpfen nur mit einem Eimer zu. Hier erfrischten sich die Menschen oder holten Wasser. Ansonsten lief es durch eine Lücke, dann als kleines Rinnsal zum Strengbach. Früher war der Brunnen meist gut gefüllt, doch im Laufe der Zeit wurde das Wasser immer weniger. Leider ließen Unkenntnis und Desinteresse den Brunnen verschwinden.“9
Den Namen Christinchen soll der Brunnen von der letzten Besitzerin erhalten haben. Noch im 20. Jahrhundert wurden Grundmauer und andere Gegenstände des Ortes im Bereich der Sandgrube ausgegraben. Auf dem Mühlenberg in Dammendorf fand man auch zwei Tongefäße, gefüllt mit Leichenbrand, dazu in einer Urne Eisen-, in der anderen Bronzereste. Der Fund stammt aus der Eisenzeit, vor mehr als 2.000 Jahren. Er lagert im Museum für Vorgeschichte in Halle.10

Abbildung 17: Separationskarte von 1830, Detail.

Abbildung 18: Ausschnitt aus dem Historischen Messtischblatt 2533 (Preussen, Aufnahme: 1851, Herausgabe: 1872) mit Einzeichnung der Wüstungen: (A) Wernsdorf, (B) Fredersdorf, (C) Grintzena, (D) Göttlitz.
Gebäudebücher – Angaben zu den Häusern der Ortslagen
Für die mit „uH“ bezeichneten Gebäude diente einstmals nicht das Kataster, sondern das Gebäudesteuerbuch als amtliches Verzeichnis. Das Gebäudebuch, auch Gebäudesteuerrolle genannt, erfasst nach jeweiligem Eigentum die Auflistung der Gebäude unter einer Nummer (Gebäudeblatt). Die Gebäudebeschreibung ermöglicht die Identifizierung bestimmter Gebäude, so waren z. B. im Kataster die „ungetrennten Hofräume“ nur durch die Nummer der Gebäudesteuerrolle bezeichnet und nicht näher beschrieben.
Weiterhin gibt es Gebäudebeschreibungen, in denen die Gebäudenutzung eingetragen ist, der Eigentümer oder die Eigentümerin, Lageplan der Gebäude, Baukosten, Grundfläche der Gebäude sowie die Adresse.
Sie nennen auch die Nutzung, wann und was für Gebäude gebaut wurden sowie die Art der Nutzung (z. B. Armenhaus, Konsum und Gasthaus). Die Unterlagen liegen, soweit sie noch vorhanden sind, im LVermGeo sowie in den Landesarchiven. Auskunft über die Ortslage, die Gebäude und Grundstücke geben andere, weniger formelle Quellen. Der in Dammendorf ansässige Lehrer Leopold Otto Helmsdorf zeichnete 1917 einen Plan der Gebäude des Ortes (Abbildung 21). Die Karte wurde am 9. Dezember 1999 bei der Turmsanierung in der Kirchturmkugel gefunden. Diese Zeichnung bietet einen Nachweis über die Standorte und ungefähren Grundrisse der Häuser. Die Nummerierung der Gebäude stammt ursprünglich aus dem Gebäudebuch. Aufgrund günstiger Überlieferung besteht aber für Dammendorf die Möglichkeit, diese Angaben mit weiteren Quellen zu vergleichen und zu ergänzen. So führt der Lageplan des Lehrers Helmsdorf von 1917 sämtliche Gebäude mit einer Nummerierung. 2005 hielten M. und A. Messerschmidt die Festrede zum 800. Jubiläum der Ersterwähnung von Schwerz und stellten dort eine Übersicht aus dem Jahre 1937 vor, die sämtliche Haushalte Dammendorfs auflistet. Warum der Plan 1937 erstellt wurde, ist heute nicht mehr ersichtlich, aber die getätigten Angaben sind korrekt. Da die Nummern der Listen übereinstimmen, kann man somit aus unterschiedlichen Quellen präzise Angaben zum Ort, seiner Bebauung und dessen Bewohnern ermitteln. Mit dem nachfolgenden Beispiel soll illustriert werden, dass man durch weiteres Kartenmaterial diese Angaben noch erweitern kann.

Abbildung 19: Separationskarte von 1830, Ortslage ohne Gebäude, ein sogenannter „ungetrennter Hofraum“ (uH).

Abbildung 20: Situationsplan 1823 mit dem Gebäudebestand.

Abbildung 21: Plan der Gebäudeübersichten des Lehrers Leopold Otto Helmsdorf, 1917, Entdeckt bei Öffnung der Kirchturmkugel am 09.12.1999.

Abbildung 22: Auszug Separationskarte Dammendorf 1930.

Abbildung 23: Geburts- u. Sterbeakten Schwerz 1809 – Transkription A. Messerschmidt 2016 aus dem Zivilstandsregister (Sammlung von M. und A. Messerschmidt).
Die Geschichte einer Familie aus dem Ort Kneipe
Der Ort Kneipe war früher eine Zollstation und ist auf der Separationskarte Dammendorfs von 1830 angegeben. Die Geburtsurkunde nennt den Namen Ulrich als Besitzer der Zollstation. Anhand der Geburts- und Sterbeakten des Ortes lassen sich weitere biografische Angaben zur Familie Ulrich machen. Die Geburtsurkunde benennt den Eigentümer Ulrich samt seinen Berufen (Abbildung 23). Die Transkription folgt der damaligen Schreibweise des Pfarrers einschließlich der üblichen Fehler und Eigenheiten der lokalen Rechtschreibung.
1830 entstand die Separationskarte, die im dazugehörigen Rezess den Namen Ulrich als Eigentümer der Zollstation nennt, die Urkunde ist aber schon auf 1809 datiert. Daraus kann man schlussfolgern, dass die Familie Ulrich eine geraume Zeit dort gelebt und gearbeitet hat.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Angaben der Kirchenbücher bzgl. Name, Beruf, Familien- und Besitzstand sowie Eigentumsangaben, Verwandtschaftsgrade und vielen weiteren Informationen eine ungemein wertvolle Ergänzung zu den topografischen Angaben der Ortskarten darstellen. So ist z. B. ersichtlich, dass es 1809 in Dammendorf eine Hebamme gab. Durch Kombination beider Quellengruppen lassen sich damit auch wertvolle Erkenntnisse für die genealogische Forschung gewinnen.
Verschiedene Karten und wo man sie finden kann …
Karten können verschiedene Namen, Inhalte und Bedeutungen haben, aber auch die Darstellungsformen für den gleichen Sachverhalt können sehr verschieden sein. Die Unterschiede entstanden auch durch die vielen verschiedenen Katasterämter. Mit der Einführung des Einheitskatasters in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sollten die Bezeichnungen und Bedeutungen der Karten vereinheitlicht werden. Neben ihren inhaltlichen Bedeutungen unterscheiden sich die Karten in Herstellung, Material, Format, Nutzung und Zustand. Manche Informationen sind heute jedoch unwiederbringlich verloren, da Karten, wie viele schriftliche Quellen, relativ anfällig für Beschädigung und Zerstörung sind.
Die meisten Unterlagen zur Erforschung von Orten kann man im LVermGeo, im Landesarchiv Sachsen-Anhalt oder in den Kirchenarchiven finden. Als Quellen für den Text wurden darüber hinaus Archive bundesweit und sogar in digitalen Archiven der Vereinigten Staaten von Amerika herangezogen. Die Einsichtnahme und Abgabe von Karten und weiteren Dokumenten müssen immer auf Grundlage der Datenschutzrichtlinien erfolgen, da sie sensible personenbezogene Daten enthalten können. Besonders für die historische Forschung sind Karten des LVermGeo häufig zugänglich. Ab dem 1. Juli 2023 gibt es eine neue Kostenordnung, nach der noch mehr Daten kostenfrei digital zum Download oder zu einem geringen Gebührenaufwand bereitgestellt werden.
Annett Rose
arbeitet als Vermessungstechnikerin beim Landesamt für Vermessung und Geoinformation Sachsen-Anhalt. Seit 2006 beschäftigt sie sich ehrenamtlich mit der Geschichte ihres Heimatortes Dammendorf und nahm 2022/23 am Grundlagenkurs für Ortschronist:innen und Heimatforscher:innen des LHB teil. ⇆ service.lvermgeo@sachsen-anhalt.de
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1)
„Gewannen“ sind historisch gewachsene Flächen–und Regionsbezeichnungen.
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2)
URL: https://www.landkartenarchiv.de/ deutschland_messtischblaetter.php (13.04.2023).
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3)
URL: https:// metaver.de/trefferanzeige?docuuid=8CB20EA6–7B13–4D59–885D–002DCFFBE2DB#deail_description (19.04.2023).
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4)
Vgl. Verordnung über die grundbuchmäßige Behandlung von Anteilen an ungetrennten Hofräumen (Hofraumverordnung – Hof vom 24.09.1993[BGBl.S 1658]).
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5)
Vgl. Landesamt für Vermessung und Geoinformation: Landesluftbildsammlung Sachsen–Anhalt. In: www.lvermgeo.sachsen–anhalt.de, 2023, URL: https://www.lvermgeo.sachsen–anhalt.de/de/datei/anzeigen/id/3787,501/faltblatt_ lls_b.pdf 15.04.2023 (20.04.2023).
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6)
Vgl. Landesamt für Vermessung und Geoinformation: Kostenfreie Geobasisdaten. In: www. lvermgeo.sachsen–anhalt.de, 2023, URL: https://www.lvermgeo. sachsen–anhalt.de/de/kostenfreie_geobasisdaten_lvermgeo.html (15.04.2023).
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7)
Siegmar von Schultze–Gallêra: Wanderungen durch den Saalkreis. Dörfer und Wüstungen am Petersberg. Auf der alten Dessauer Straße. Niemberg und Umgebung. An der Berliner Chaussee. Bd. 4. (EA 1921) Bad Langensalza 2018, S. 213.
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8)
Ernst Bernhard Brühl gründete 1916 ein Heimatmuseum in Wölls–Petersdorf, das später nach Landsberg umzog. Die Ausstellung zur Heimatgeschichte und Geologie wurde 2019 geschlossen, eine Initiative zur Wiedereröffnung läuft. Zum Museum vgl. auch Messerschmidt: Heimatgeschichte(n) – Ernst Bernhard Brühl – Landsberg–Gütz, Wölls–Petersdorf und Umgebung. Spickendorf 2002.
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9)
Zitiert nach Ernst Bernhard Brühl aus der Sammlung von M. und A. Messerschmidt.
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10)
Vgl. auch den Zeitungsartikel: Bernhard Brühl: Um das Christinchenbörnchen bei Dammendorf. In: Nachrichtenblatt der Landelektrizitär GmbH Überlandwerk Saalkreis=Bitterfeld, o.J., S. 10–11.