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Interview

Interview mit Detlef Steyer

Ausgabe

Konnex - „Zeitschrift für Regional- und Heimatforschung Sachsen-Anhalt“ (Nr. 2, 2025)

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Themen

Geschichte Heimatforschung & Ortschronik

Das Interview führten: Martin Müller und Ortrun Vödisch (LHB)

Detlef Steyer ist Ortschronist und Heimatforscher im Ortsteil Großleinungen der Stadt Sangerhausen. 2022 nahm er am Grundlagenkurs des Landesheimatbundes teil. Zum Ende dieser Kurse geben die Teilnehmenden eine kleine Abschlussarbeit ab, in welcher sie aktuelle oder vergangene Projekt e ihrer Heimatforschung vorstellen. Herr Steyer reichte eine Arbeit über die Erwähnung der Ortsnamen Großleinungen und Morungen (heute OT von Sangerhausen) in den Archivquellen ein. DerL andesheimatbund sprach mit ihm darüber, was ihn zur Heimatforschung brachte, wie er seine Ortsnamenrecherche plante und durchführte und zu welchen Ergebnissen er dabei kam.

Abb. 1: Seine Forschungen zur Frühgeschichte der Orte Großleinungen und Morungen sind ein besonderer Schwerpunkt der Tätigkeit von Detlef Steyer.

Landesheimatbund (LHB):
Herr Steyer, Sie sind Ortschronist im Ortsteil Großleinungen der Stadt Sangerhausen und beschäftigen sich ehrenamtlich mit der Geschichte Ihrer Region. Warum und wann wurden Sie Heimatforscher?

Herr Steyer:
Eigentlich wollte ich in meiner Jugend Archäologie studieren. Ich habe dann aber doch die technische Richtung eingeschlagen und Elektrotechnik an der damaligen Technischen Hochschule Magdeburg studiert. Allerdings habe ich mich schon immer für Geschichte interessiert. Schon als Kind gab mir der damalige Ortschronist, Friedrich Wedekind, ein Freund meiner Großmutter, seine ganzen Aufzeichnungen zum Lesen. Das fand ich so interessant und spannend, dass ich das immer weiterverfolgte. Als mein Vater in der Wendezeit in Rente ging, wurde er dann Ortschronist von Großleinungen und sammelte Material zur Ortsgeschichte. Dabei unterstützte ich ihn, da ich ihm beim Erfassen der vielen Daten am PC in Word und Excel-Dateien half. 2022 bin ich dann auf Anregung des Ortsbürgermeisters selbst Ortschronist geworden und wurde am 1. Januar 2023 durch den Oberbürgermeister offiziell bestellt.

LHB:
Und Sie arbeiten allein an dieser Ortschronik?

Herr Steyer:
Ja, aber ich versuche möglichst jeden, der sich für die Ortschronik interessiert, zu integrieren. Außerdem muss man sich immer klar machen, dass das eigene Wirken endlich ist. Mein Ziel muss es also sein, das Material so zu strukturieren, dass andere oder nachfolgende Generationen damit etwas anfangen können. LHB: Welche Themen interessieren Sie besonders? Herr Steyer: Als ich die Sammlung meines Vaters bzw. seines Vorgängers übernahm, stellte ich fest, dass viele Daten teilweise bis ins 17./18. Jahrhundert zurückgehen. Aber oftmals waren die Quellenangaben nicht ganz eindeutig. Daher interessiert mich besonders die Quellenrecherche zu den Angaben. Aus welcher Quelle stammt die Information? Wo finde ich diese Quelle?

LHB:
Sie waren mehrfach Teilnehmer im Grundlagenkurs. Wie erfuhren Sie von dem Kurs und was motivierte Sie?

Herr Steyer:
Ich bin Mitglied im Geschichtsverein Sangerhausen und der Vereinsvorsitzende, Herr Loth, hat mich über diesen Kurs informiert. Da habe ich sofort gesagt: Den mache ich mit, den finde ich super. Es war ein großes Glück, dass ich daran teilnehmen konnte. Da ich aus terminlichen Gründen beim ersten Mal nicht alle Veranstaltungen besuchen konnte, habe ich ihn dann gleich ein zweites Mal besucht und würde ihn auch noch ein drittes Mal besuchen. Man kann ja eigentlich immer nur klüger werden, wenn man ihn zwei-, dreimal besucht. Mich motivierte besonders, mit verschiedenen Fachleuten und anderen Ortschronisten in den direkten Austausch zu kommen. Außerdem konnte man seine individuellen Fragen stellen. Das hilft schon enorm. Für meine Recherche war natürlich das Seminar zur Arbeit in Archiven besonders hilfreich.

LHB:
Als Abschlussarbeit haben Sie eine Auflistung über die Ortsnamen Großleinungen und Morungen in den Archiven verfasst. Was motiviert Sie zur Ortsnamenforschung?

Herr Steyer:
Mich interessieren die Ursprünge. Was sind die ältesten Quellen zu Morungen und Großleinungen und in welchen Archiven finde ich diese? Der Sprachforscher Dr. Christian Zschieschang brachte mich dann auf das Hersfelder Zehntverzeichnis, wo Ortsnamen aus der Zeit des 9. Jahrhunderts in der Region, in der ich lebe, aufgeführt werden.

LHB:
Fanden Sie beide Orte?

Herr Steyer:
Ja, zumindest Morungen. Laut der Arbeit von Herrn Zschieschang wird der Ort um 845 als Morunga genannt (Abb. 2).

Abb.2: Der Ort Morungen in einer Abschrift des Hersfelder Zehntverzeichnisses aus dem Archiv

LHB:
Wie gingen Sie bei der Abfassung Ihrer Arbeit für den Grundlagenkurs vor? Wie und wo recherchierten Sie die Quellen?

Herr Steyer:
Bevor ich mir überhaupt einen Termin vor Ort im Archiv holte, fragte ich mich zuerst: Was genau suche ich? Wie gehe ich am besten vor? Da ich einerseits nach ältesten Belegen suchte und andererseits mir einen Überblick über die allgemein vorhandenen Daten zu Morungen und Großleinungen machen wollte, ging ich auf das Online-Portal des Landesarchives. Über „Onlineangebote“ und „Online- Recherche“ kam ich zum Suchfeld „Volltextsuche“. Dort gab ich die beiden Ortsnamen Großleinungen und Morungen ein.

LHB:
Da kamen bestimmt eine Menge Daten zusammen?

Herr Steyer:
Ja, das waren über tausend Datensätze allein für Großleinungen.

LHB:
Und was machten Sie dann?

Herr Steyer:
Über diesen Weg kam ich bei der Frage nach den ältesten Belegen nicht weiter. Da kam ich „nur“ bis ins 15. Jahrhundert. Aber ich hatte eine erste Übersicht über die Archivquellen, die beide Orte betrafen. Zuerst kopierte ich alle Datensätze der Archivquellen dieser Orte aus dem Online-Portal des Landesarchives, sortierte diese nach den Archivstandorten und führte eine Priorisierung durch. Ich stellte mir eine Übersicht über die für mich relevanten Daten zusammen. Da ich vorerst keine präzise Frage an die Daten hatte, wollte ich nur festhalten, was überhaupt vorhanden war. Ein Termin vor Ort lohnte sich dann auch erst, als ich eine bestimmte Frage an eine konkrete Quelle hatte.

LHB:
Mit welcher Software/Programm arbeiteten Sie?

Herr Steyer:
Ich benutzte Excel für die Tabellen, Word für Texte und PowerPoint für Präsentationen.

LHB:
Welche Ergebnisse erzielten Sie?

Herr Steyer:
Ich habe alle Akten, die in den Archiven Merseburg, Dessau, Magdeburg und Wernigerode liegen, erfasst und tabellarisch aufgelistet. Wenn mich jetzt etwas näher interessiert, kann ich bequem in meine Übersicht schauen, was dazu überhaupt vorliegt und dann der Frage vor Ort im Archiv im Detail nachgehen. Schwierig wird es durch die Tatsache, dass die Bezeichnung der Quelle sowie die Kurzbeschreibung nicht immer selbsterklärend sind und alle älteren Schriftstücke in altdeutschen Schriftarten geschrieben sind!

LHB:
Was war die wichtigste (oder eine neue) Erkenntnis?

Herr Steyer:
Eine wichtige Erkenntnis war, auch wenn erstmal keine positive, dass ich bei der ersten Archivrecherche bei den Quellen nicht so weit in die Vergangenheit kam, wie ich mir das ursprünglich erhoffte. Aber eine andere positive Erkenntnis war natürlich, dass ich überhaupt eine Menge Quellen allein im Online-Portal des Landesarchives fand, die vielleicht teilweise noch gar nicht erforscht sind. Und durch meine ersten Recherchen und meine Abschlussarbeit für den Grundlagenkurs habe ich jetzt für mich und vielleicht nachfolgende Interessierte eine Übersicht über einen Teil der Quellenbestände.

LHB:
Gab es Hindernisse bei Ihrer Forschung? Was war besonders schwierig? Wie lösten Sie diese Probleme?

Herr Steyer:
Einerseits das Lesen der alten Akten. Die kann man ja nicht so locker und flüssig lesen wie Texte in unserem heutigen Deutsch. Die Akten sind zumeist in altdeutschen Schreibschriften geschrieben. Da hilft dann nur Üben: lesen, lesen, lesen. So wie es Frau Dr. Gornig im Grundlagenkurs gesagt hat. Andererseits ist die Masse an Quellen auf den ersten Blick erschlagend, Aktenberge ohne Ende. Einfach drauf los forschen geht da nicht.

LHB:
Was können Sie anderen Heimatforschenden als Hilfestellung für Ihre Arbeit empfehlen?

Herr Steyer:
Man sollte sich, wenn möglich, Mitstreiter suchen – allein wegen der vielen Quellen. Das macht es einfacher. Und man sollte sich nicht verzetteln, sondern klare Fragen definieren, die man dann abarbeitet. Man muss immer genau wissen, wonach man sucht.

LHB:
Lieber Herr Steyer, danke für Ihre Zeit und viel Erfolg bei Ihrer weiteren Arbeit.

Herr Steyer:
Vielen Dank. Sehr gern!