
geonames.org / Katrin Moeller
Artikel
Gemeinsam historische Quellen erschließen
Möglichkeiten, Tools und Gemeinschaften! – Geodaten finden und nutzen
Mittlerweile gibt es web- und softwarebasiert viele Möglichkeiten, historische Daten mit einem Raumbezug relativ rasch auf webbasierten oder digitalen Karten anzuzeigen. Die Palette der zur Verfügung stehenden Software ist groß. Mit QGIS wurde etwa in der ersten Ausgabe von KONNEX1 ein solches kostenfreies Softwaresystem vorgestellt. Die Grundlage dazu bilden Informationen, die mit Geokoordinaten verknüpft werden können.2 Solche historischen Quellen gibt es in sehr großer Vielzahl: Dies können etwa Neubürgerlisten sein, in denen die Herkunftsorte der neu in eine Stadt gezogenen Menschen verzeichnet wurden oder Adressverzeichnisse mit historischen Hausnummern oder Straßenangaben. Typische Quellen von Universitäten sind beispielsweise die Studienmatrikel, in denen die Herkunftsorte aller Studierenden ermittelt werden können oder Listen von Hausbesitzern oder steuerpfl ichtigen Haushaltsvorständen. Überall dort, wo verschiedene Orte oder Adressen benannt werden, kann es interessant sein, diese zu ermitteln und über Geokoordinaten auch räumlich zu visualisieren. Nur, wie macht man das? Wie lassen sich historische Daten ermitteln und georeferenzieren?
Hier kommen sogenannte Ortsverzeichnisse als kontrollierte Vokabulare oder Linked Open Data- Systeme von Geodaten ins Spiel, die auf verschiedene Weisen recherchiert und mit den eigenen Daten verzahnt werden können. Oft bieten sie aber auch die Möglichkeit, Daten per API oder Schnittstelle systematisch abzurufen und mit den eigenen Daten zu verbinden oder sie vollständig herunterzuladen und über verschiedene Matchingprogramme den eigenen Daten zuzuordnen. Auf diese Weise werden beispielsweise Ortsnamen automatisch erkannt und Geokoordinaten vergeben. Ein wichtiges Recherchesystem für solche historischen Daten ist etwa GeoNames3 (Abb. 1). In diesem Ortsverzeichnis fi ndet man heute ca. 80.000 deutschsprachige Orte mit ihren Geokoordinaten im Koordinatensystem WGS84 (World Geodetic System 1984). Auch über Nominatim4, einer Sammlung von Ortsbezeichnungen und ihren Geokoordinaten des Services OpenStreetMap, kann man viele Orte fi nden bzw. per Webservice in eigene Systeme einbinden. Herausforderung beider Systeme bleibt, dass sie vor allem auf die heutigen Ortschaften konzentriert bleiben.

geonames.org
Abb. 1
Dies führt bei historischen Orten immer wieder zu Problemen, da beispielsweise der eigene Ort vor mehreren hundert Jahren aus vielen verschiedenen Dörfern bestand, die erst allmählich zu größeren Ortschaften zusammenwuchsen. Der Verein für Computergenealogie5 hat mit dem „Geschichtlichen Ortsverzeichnis“ daher ein Projekt entwickelt, über das die Ortsnamen vieler historischer Orte recherchiert werden können. Sucht man hier etwa nach dem Begriff „Halle“, bekommt man gleich 133 Einträge angezeigt. Einerseits sind dies die verschiedenen Orte mit der Bezeichnung „Halle“ oder ähnlichen Synonymen weltweit (Halle in Westfalen, Halle (Saale), Hälle in Schweden oder La Halle in Frankreich), andererseits sind dies die einzelnen Stadtteile, Ursprungsorte oder verschiedenen Typen von „Ortsbezeichnungen“ in der Stadt Halle (Saale). Dies können Kirchen, Kirchsprengel, Plätze, Straßen oder eben auch Stadtteile und Ortsnamen sein. Wer tatsächlich nach dem Ort sucht, ist mit dem Typ „Stadtkreis“ oder „Stadt (Gebietskörperschaft)“ an der richtigen Adresse. Hier erfährt man viele nützliche weitere Informationen zum Ort, über historische Schreibweisen, die historische, räumlich-administrative Zuordnung bis hin zu Postleitzahlen, Linked Open Data verschiedener Verzeichnisdienste und Geokoordinaten. In den Wiki-Artikeln zum Projekt ist genau beschrieben, wie technisch versierte Personen sich die Geokoordinaten über den Ortsnamen oder die GOVKennung (für Halle beispielsweise http://gov.genealogy.net/adm_145202, also „adm_145202“) abrufen können und wie die Webschnittstelle über API abgerufen wird.
Momentan startet ein Projekt, in dem Freiwillige mit dem sogenannten DES (Dateneingabesystem) des Vereins möglichst alle Gemeinden und Wohnplätze des Deutschen Reiches im späten 19. Jahrhundert erfassen wollen. Unterstützung ist dabei herzlich willkommen und äußerst nützlich. Das Projekt wurde im September 2024 auf der Tagung „Digital History & Citizen Science“ vorgestellt (Abb. 2).

Katrin Moeller
Abb. 2
Kontrollierte Vokabulare/Linked Open Data
Kontrollierte Vokabulare ordnen Quellenbegriffe bestimmten normierten Schreibungen zu, definieren Begriffe und halten Homonyme auseinander. Damit werden Begrifflichkeiten eindeutig zuordenbar und verwendbar gemacht. Besitzen kontrollierte Vokabulare persistente, webbasierte Verlinkungen und sind öffentlich im Internet nutzbar, nennt man diese auch Linked Open Data. Über diese Verlinkung können Angaben im Web zu gleichen Personen, Orten oder anderen Informationen identifiziert und verknüpft werden.
Schnittstelle/API (Application Programming Interfaces)
Dabei handelt es sich um technische Standards, die verschiedene Definitionen vorgeben, um Daten zwischen verschiedenen Softwareprogrammen oder Webangeboten auszutauschen und in das richtige Format zu überführen.
Matching/Programme zum Datenmatching
Das Matching von Daten meint, verschiedene Schreibweisen oder Begrifflichkeiten, die auf den gleichen Gegenstand verweisen, datentechnisch miteinander zu verknüpfen. Dies erfolgt etwa über die Zuweisung von Bezeichnungen zu einem Normbegriff (also einem Begriff in einem kontrollierten Vokabular). So können etwa alle Schreibweisen des Ortsnamens von Halle (Saale) wie halla, Hala Saxonum oder Halle zur Normschreibweise zugeordnet werden. Für das Matching von Daten gibt es heute verschiedene Algorithmen/Software, die nach verschiedenen Kriterien (Länge des Wortes, Ähnlichkeit von Buchstabenfolgen, lautmalerische Ähnlichkeit, geografische Lage) die am besten passenden Begriffe aus einem vorgegebenen Vokabular auswählen und vorschlagen.
Dr. Katrin Moeller
ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Halle-Wittenberg und leitet dort das 2008 gegründete Historische Datenzentrum Sachsen-Anhalt. ⇆ katrin.moeller@geschichte.uni-halle.de
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1)
Vgl. Katrin Moeller: QGIS – Eigene Karten und GIS-Projekte mit QGIS gestalten. In: KONNEX 1 (2024), S. 58–59.
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2)
Zum Thema Geoinformationen vgl.: Martin Freudenreich: Geoinformationen – Grundbausteine im Umgang mit archäologischen und historischen Quellen. In: KONNEX 1 (2024), S. 50–57. 3 Vgl. https://www.geonames.org.
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3)
Vgl. https://nominatim.org.
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4)
Zum Verein siehe den Beitrag in dieser Ausgabe S. 118–119.