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Die Silbertöne der Harzzither

Ausgabe

Sachsen-Anhalt-Journal - „Sound“ (Nr. 2, 2021)

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Themen

Geschichte Immaterielles Kulturerbe Kunst & Musik

Der Klang der Harzzither ist unverwechselbar – hell, silbrig, obertonreich und durchdringend. Ihr Ton verdankt sich den doppelt bespannten Metallsaiten und dem kompakten Resonanzkörper mit seiner markanten Tropfenform.

„Bald ergreift er den Liebling des Harzers, die liebliche Zitter, spielt ein altvätrisch Lied, das er als Jüngling geschätzet, oder versucht ein neues, zur Ehre des feinern Geschmackes, und begleitet mit einer auf Beifall wartenden Miene, aus der vollesten Kehle die Silbertöne der Saiten.“

E. C. H. Dannenberg, 1781

Sie kann sich im Zusammenspiel mit Geige, Hackbrett oder Gitarre deutlich behaupten – und ist doch ein leises Instrument von großer Ausdruckskraft.

Seit März 2025 ist sie offiziell als Gutes Praxisbeispiel im Bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes eingetragen. Damit würdigt die UNESCO die lebendige Praxis des Spiels und Baus der Waldzither im Harz und in Thüringen. Im Oberharz hat sich diese Tradition besonders in Braunlage erhalten.

Die Harzzither entwickelte sich aus der Cister, die im 16. Jahrhundert noch zur höfischen Kunstmusik zählte. Während das kunstvolle Lautenspiel an Bedeutung gewann, fand die robuste, leicht zu bauende Zither den Weg in die Hände von Bergleuten, Schäfern und Zimmerleuten – als Volksinstrument. Ihre einfache Bedienbarkeit, die stabile Stimmung und die selten reißenden Saiten machten sie besonders beliebt.

Das Instrument ist vierchörig (vier Doppelsaiten), in D-Dur (a d¹ fis¹ a¹) gestimmt, mit einem Tonumfang von zwei Oktaven. Es wird mit dem Plektrum gespielt, meist akkordisch oder einstimmig melodiös. Die Harzzither diente über Jahrhunderte der Hausmusik, dem Tanzspiel und der Liedbegleitung.

Besonders prägend war sie für die Harzer Bergsänger, musikalische Gruppen aus den Reihen der Bergleute, die mit Zither, Geige und Triangel ein- und mehrstimmige Lieder vortrugen. Ein einzigartiges Zeugnis dieser Praxis ist das „Lieder Buch Vor die Stoll Berg Sänger Pande Anno 1754“, das 95 Liedertexte überliefert – von Liebesliedern über derbe Kirmes- und Bauerngesänge bis hin zu Liedern für Beerdigungen.

Da der Kauf der Instrumente für einfache Bergleute in der Regel unerschwinglich war, wurden die Zithern oftmals selbst gebaut – meist aus altem Holz. So ist vom Volkskundler Heinrich Pröhle der Bericht über einen Schmied überliefert, der eine Zither aus der Schwelle eines alten Pferdestalls fertigte.

Bis heute ist diese Baupraxis lebendig. In Braunlage wird noch immer musiziert, gespielt wird aus dem Gedächtnis, gelernt wird durch Zuhören und Mitmachen. Der 92-jährige Zimmermann Werner Oelze baut bis heute neue Instrumente in alter Handwerkstradition. Und so klingen die „Silbertöne der Saiten“ noch immer – nicht aus Museen, sondern aus Wohnzimmern, Cafés und von Festbühnen: leuchtend, lebendig und unverwechselbar.