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Die historische Röver-Hausorgel in Hausneindorf

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Sachsen-Anhalt-Journal - „Sound“ (Nr. 2, 2025)

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Geschichte Handwerk & Kunsthandwerk Kunst & Musik

Wenn im Musikzimmer der Burg Hausneindorf leise die ersten Töne erklingen, ist es, als atme das Instrument nach langer Stille wieder auf. Weich, warm und grundtönig füllt der Klang den eigens dafür eingerichteten Raum. Der geneigte Hörer merkt schnell: diese kleine Orgel hat viel zu erzählen; ihr Klang zeugt von einer untergegangenen Epoche, von einem fast verlorenen Erbe und von Menschen, die es bewahren wollten.

Bei dem Instrument handelt es sich um ein Schrankpositiv aus dem Jahr 1891 mit vier Registern ohne Pedal. Gebaut wurde es vom renommierten Orgelbauer Ernst Röver (1857–1923) als op. 28 – als seine persönliche Hausorgel. Die Orgel besteht aus einem Ober- und Unterschrank aus Eichenholz, rückseitig verschließt lediglich eine Leinenwand das Werk, sodass die beiden Teile nicht geschlossen sind. Es gibt keine Schranktür; alle Teile sind durch Füllungen (Fächer) gegliedert. Von einem ursprünglichen Oberteil hat sich lediglich der Kranz erhalten, Spuren weisen jedoch auf eine einstmals geschlossene Decke hin. Der Unterschrank beherbergt Balganlage und Windlade, im Oberschrank stehen die Pfeifen in Rastbrettern auf den Stöcken.

Die Röver Hausorgel im Musikzimmer der Burg Hausneindorf.

Das Pfeifenwerk der Hausorgel.

Röver selbst war Nachfolger der Orgelbauerfamilie Reubke in Hausneindorf und leitete dort zwischen 1884 und 1923 die „Orgelbau-Anstalt mit Dampfbetrieb“. Etwa 200 Instrumente verließen in dieser Zeit die Werkstatt – das Schrankpositiv ist eines der wenigen erhaltenen einmanualigen Instrumente aus dieser Ära des spätromantischen Orgelbaus und die Geschichte der Salon-Orgel ist dabei eine äußerst bewegte.

Nach Rövers Tod ging sie in den Besitz seiner Tochter Irmgard (1901–1980) über, wie auch das Geschäft und viele seiner Hinterlassenschaften. Doch ihre Bemühungen das Unternehmen weiterzuführen oder es zu verkaufen, scheiterten. So musste sie nach und nach den wertvollen historischen Nachlass auflösen, ehe nach ihrem Tod die noch in der Werkhalle lagernden Orgelteile weitgehend verlorengingen. Nur wenige Stücke konnten gerettet werden und befinden sich heute auf der Orgelempore der ev. Kirche St. Petri in Hausneindorf, auf der auch Rövers einstige Vorführorgel (29/III+P) steht. Die Zeit war noch nicht reif, um Wert und Bedeutung des spätromantischen Orgelbaus von Ernst Röver zu erkennen.

In den späten 1970er Jahren wurde die Hausorgel vom Tischler und Orgelbauer Rudolph Oppermann aus Wegeleben mit dem Ziel erworben, die Pfeifen für Reparaturen anderer Röver- Orgeln zu verwenden. Glücklicherweise gelangten sie fast vollständig in den Besitz des Halberstädter Orgelbaumeisters Reinhard Hüfken, der sie sicherte. Die übrigen Werkteile – Manual, Spielmechanik, Windlade, Magazinbalg – kaufte der Organologe Andreas-Michael Behrens 1985 für die damalige Kultur- und Forschungsstätte Michaelstein (heute Stiftung Kloster Michaelstein/ Blankenburg), wo sie zunächst im Depot eingelagert wurden.

Das geöffnete Manual mit Plakette des Orgelbauers Ernst Röver.

Ein erster Versuch der Wiederherstellung erfolgte in den 1980er-Jahren: Teile wurden rekonstruiert, darunter drei fehlende Holzpfeifen des Gedackts 16‘ (Gis, B, dis°), und das Instrument als stilistisch passendes Exponat im Schraube-Museum Halberstadt aufgestellt. Doch schließlich wurde das Instrument wieder abgebaut. Die Teile gingen an ihre jeweiligen Eigentümer zurück.

Erst mit dem Engagement des Heimatvereins Hausneindorf kam Bewegung in die Geschichte. Im Rahmen des geplanten Orgelbauermuseums, das dem Wirken der Familie Reubke und Ernst Röver gewidmet ist, entwickelte der Verein ein Projekt zur Wiederzusammenführung und Restaurierung des Instruments. Sowohl Reinhard Hüfken als auch die Stiftung Kloster Michaelstein stellten ihre Teile leihweise zur Verfügung. Bei der fachgerechten Restaurierung durch die Werkstatt Hüfken wurde jede erhaltene Originalsubstanz bewahrt und fehlende Elemente nach historischem Vorbild ergänzt. Das ausgemachte Ziel war es, das Instrument wieder spielbar zu machen.

Seit Mai 2017 ist die kleine Orgel nun wieder regelmäßig zu hören – etwa zum Tag des offenen Denkmals oder bei Konzerten auf der Burg. Sie steht heute in einem eigens eingerichteten Musikzimmer, das zugleich dem Gedenken an ihren Erbauer gewidmet ist. Mit ihrer Disposition – Gedackt 16’, Flauto 8’, Violino 8’, Flauto 4’ – eignet sie sich besonders für romantische Kompositionen und vermittelt dabei nicht nur einen authentischen Klang, sondern auch ein Gefühl für die Zeit, aus der sie stammt.