Zum Hauptinhalt springen

Artikel

Das Kartoffeldenkmal in Beuchlitz

Ausgabe

Sachsen-Anhalt-Journal - „Backen“ (Nr. 2, 2023)

Ausgabe kaufen

Themen

Denkmal & Baukultur Erinnerungskultur Geschichte Heimatforschung & Ortschronik

Die hiesige Denkmallandschaft im ländlichen Bereich beschränkt sich in der Regel auf Kriegerdenkmale der Einigungskriege oder der beiden Weltkriege. Ein barockes Monument zur Erinnerung an einen heute in Vergessenheit geratenen Konflikt ist dagegen im Teutschenthaler Ortsteil Holleben erhalten geblieben.

Das im ehemaligen Beuchlitz (seit 1939 zu Holleben gehörig) an der Ernst-Thälmann-Str. 17 gelegene sogenannte Kartoffeldenkmal erinnert an den Bayrischen Erbfolgekrieg von 1778/79 und ist damit eines der ältesten erhaltenen Memoriale der Region.

Das aus mehreren Komponenten bestehende Beuchlitzer Denkmal erreicht in seiner Gesamthöhe nahezu 3,30 Meter. Ein aus Bruchsteinen errichteter quadratischer Sockel bildet das Fundament. Darauf baut ein aus Fußgesims, Schaft und Kranzgesims bestehendes Postament auf, das durch hervorgehobene Zierflächen seitlich geschmückt wird. Eine ca. 1,60 Meter hohe, sich nach oben verjüngende Stele, die in einer pyramidenförmigen Spitze endet, komplettiert den sandsteinernen Obelisken. Die nach Osten zur Straße gewandte Schauseite des Denkmals wird mit einem Medaillon geschmückt, das von einem Ehrenkranz umsäumt ist. Es ist anzunehmen, dass diese Kartusche durch eine inzwischen verschwundene ovale Tafel mit Widmungsinschrift gerahmt wurde. Über dem Schmuckfeld deutet sich ein rankenumschlungenes Kreuz oder Schwert an. Die in älteren Quellen beschriebenen Initialen I.F.D.A. auf der Nordseite des Denkmals wurden von verschiedenen Autoren als Steinmetzzeichen gedeutet. Der Obelisk folgt in seiner Gestaltung antiken Vorbildern. Besonders im Klassizismus ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts fanden solche rechteckigen Spitzpfeiler überregional weite Verbreitung.

Gestiftet wurde das Monument im Jahr 1779 durch Christoph von Billerbeck (1714-1790), Major der preußisch-königlichen Leibgarde und Adjutant von Friedrich dem Großen. Von Billerbeck war wegen seiner militärischen Verdienste zum Günstling des preußischen Königs aufgestiegen. Durch eine wohl durch den Monarchen arrangierte Hochzeit mit Karoline von Stecher war das Rittergut in Beuchlitz in seinen Besitz gelangt. Die besonders enge Verbindung zwischen dem Preußenkönig und dem Major illustriert eine Eintragung im Register der Beuchlitzer Kirche aus dem Jahr 1757, in der Friedrich II. als Taufpate von von Billerbecks erstgeborenem Sohnes genannt wird.

Als enger Vertrauter Friedrichs des Großen kämpfte von Billerbeck an dessen Seite im Bayerischen Erbfolgekrieg, in dem Preußen und Österreich um die Erbansprüche in Bayern rangen, nachdem die bayerische Linie der herrschenden Wittelsbacher ausgestorben war. Die Ansprüche des rechtmäßigen Erben Karl Theodor von der Pfalz erkannte der Habsburger Kaiser Joseph II. nicht an. Zur Demonstration seiner Macht marschierte daraufhin der Preußenkönig mit einem 80.000 Mann starken Heer in Böhmen ein. Da sich die Kampfhandlungen in diesem Krieg wohl nur auf einzelne Auseinandersetzungen um Kartoffeln auf den Äckern beschränkten, wurde der Konflikt spöttisch als Kartoffelkrieg bezeichnet. Auch wenn es zu keinen nennenswerten militärischen Aktionen kam, starben dennoch infolge des schlechten Wetters und der katastrophalen Versorgungslage 1.500 Soldaten an Seuchen wie der Roten Ruhr. Mit dem 1779 besiegelten Vertrag von Teschen (heute Cieszyn/Polen) wurden die Feindseligkeiten beigelegt und die Ansprüche Preußens anerkannt.

Zur Feier des Friedensschlusses ließ von Billerbeck den Obelisken in der Nähe seines Anwesens errichten. Zu diesem Zeitpunkt war der Denkmalsplatz noch ein unbebautes Areal an der westlichen Seite der alten Halle-Lauchstädter Chaussee. Die exponierte Lage und der monumentale Aufbau des Memorials erzeugten so eine weithin sichtbare repräsentative Schauwirkung. Eine veränderte Straßenführung und später erbaute umliegende Wohngebäude ließen den Gedenkstein zunehmend abseitiger in der Landschaft stehen. Über die Jahre geriet er in Vergessenheit.

Wie eine Abschrift der Hallischen Zeitung vom Januar 1881 in der Hollebener Kirchenchronik zeigt, war die Denkmalsinschrift noch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein lesbar. Demnach lautete der ursprüngliche Widmungstext:

In
memoriam
laetae pacis
reparatae
hunc lapidem
erexit
die XIII maii
MDCCLXXIX

(Zur Erinnerung an die glückliche Wiederherstellung des Friedens hat er diesen Stein am 13. Mai 1779 errichtet)

Anlässlich des 240-jährigen Stiftungsjubiläums hat sich der Heimatverein Holleben vorgenommen, das inzwischen stark verwitterte Denkmal zu restaurieren. Dank des ehrenamtlichen Engagements der Vereinsmitglieder sowie zahlreicher Spenden konnte das Monument am 8. September 2019 zum Tag des offenen Denkmals im Rahmen einer kleinen Einweihungsfeier der Öffentlichkeit übergeben werden. Zusammen mit dem zeitgleich errichteten Kartoffeldenkmal von Dieskau (Gemeinde Kabelsketal, Saalekreis) ist der Beuchlitzer Gedenkstein nicht nur historisch wertvoll, sondern vor allem ein frühes Zeugnis der Erinnerungskultur in der Region, das an einen heute fast völlig aus dem Blickwinkel der Geschichte verschwundenen Konflikt erinnert.