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ВОДИ – Nasse Folklore aus der Ukraine

Ausgabe

Sachsen-Anhalt-Journal - „Wasser“ (Nr. 1, 2024)

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Themen

Alltagskulturen Bildung & Vermittlung Geschichte Landschaft, Natur & Umwelt Multikulturelles Miteinander

Ob Brautschau, der Iwan-Kupala-Tag oder Eisbaden am Dreikönigstag – Wasser spielt in vielen ukrainischen Bräuchen eine Rolle. Die ukrainische Volkskundlerin Victoriia Osypenko und Roksolana Grabko vom Verein Save Ukraine e.V. aus Halle geben Einblick in die Bedeutung des flüssigen Elements in der ukrainischen Kultur.

Bereits in vorchristlichen ukrainischen Texten findet sich der Mythos von der Weltenentstehung durch die Hochzeit von Wasser und Feuer. Auch in frühen Weihnachtsliedern taucht das Wasser als Symbol für die Urmaterie auf. Ein bis heute bekanntes Weihnachtslied besingt die Weltenschöpfung durch drei Vögel, die sich von der Höhe des Weltenbaums in die Tiefen des kosmischen Meeres stürzen. In einer christlichen Variante heißt es: „Als es noch keine Welt gab, oh Gott, gab es noch keinen Himmel und keine Erde, oh, Gott! Und da war nur ein weites Meer, oh Gott.“

Mit seiner Zuschreibung als heilig und heilsam spielt Wasser eine wichtige Rolle in einer Vielzahl von ukrainischen Bräuchen mit christlichen und paganen Wurzeln. Man sammelte beispielsweise Wasser aus den Quellen und ließ es im Freien stehen, „damit die Sterne darin baden konnten“. Zu Epiphanias etwa stehen in der orthodoxen Kirche nicht die Drei Könige im Mittelpunkt, sondern die Taufe Jesu im Jordan. Traditionell findet dann am 19. Januar die Wasserweihe an den Ufern von Flüssen, Seen oder Bächen statt. Dabei wird oft ein großes Kreuz aus dem Eis herausgeschnitten, mit Rote-Beete-Saft gefärbt und neben dem Eisloch aufgestellt. Nach dieser Zeremonie springen die mutigsten Teilnehmer:innen in das eiskalte Nass. Man verspricht sich Reinigung von Sünden und Gesundheit für das nächste Jahr: „Stilles Wasser stand im Fluss Jordan, wo Maria ihren Sohn badete.“

Das am Dreikönigstag geweihte Wasser gilt Ukrainer: innen als besonders heilig. Es steht in fast jedem Haushalt gläubiger ukrainischer Familien. Man besprengt damit kleine Kinder, Frauen in den Wehen, Kranke, sowie Häuser und Brunnen. Weitaus angenehmer ist der Einsatz von Wasser am Iwan-Kupala-Tag – dem ukrainischen Äquivalent zum Mittsommerfest, dem Johannistag oder der Sommersonnenwende, das nach dem julianischen Kalender allerdings auf den 7. Juli fällt. Junge Frauen nutzten die Wahrsagekraft des Wassers, indem sie beim Singen Blumenkränze in Flüsse legen, um etwas über ihren Auserwählten zu erfahren. In einem traditionellen Volkslied heißt es in deutscher Übertragung: „Oh, ich lasse einen Kranz auf das klare Wasser fallen, für Glück, für Schicksal, für einen süßen Kerl.“ Bei einer dann vielleicht anstehenden Hochzeit wird das Brautpaar wieder mit Weihwasser während des Gottesdienstes besprengt, denn das Wasser steht für die Fruchtbarkeit und die Fortsetzung der Familienlinie.